1 1723 – 1743 Marbach / Esslingen: Das Wunderkind im Waisenhaus

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Jährliche Speisung der Waisen. Der alljährliche Höhepunkt im „Funden- und Waisenhaus“ war ein Festessen der Dannhäuserschen Stiftung für die Kinder. Tobias Mayer, Handzeichnung, 1731, Stadtarchiv Esslingen.
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1723.

Tobias Mayer, am 17. Februar 1723 in Marbach geboren, wächst in ärmliche Verhältnisse hinein.  Er ist 1 Jahr alt, als seine Familie nach Esslingen zieht, wo sein Vater städtischer Brunnenmeister wird. Mayer begeistert sich früh für dessen technische Zeichnungen und studiert bebilderte Bücher, allen voran die Bibel. Er erweist sich als fleißiger Autodidakt, kopiert mühelos Gemälde und memoriert lange Bibeltexte. In Esslingen gilt Mayer von früh an als Wunderkind: Als 5-jähriger kann er bereits lesen, schreiben und zeichnen, mit der Institution Schule tut er sich zunächst noch schwer.

1731

1731.

Nach dem plötzlichen Tod seines Vaters wird der 8-jährige Mayer im Waisenhaus untergebracht. Seine schulischen Leistungen sind bald so außergewöhnlich, dass er in Bürgermeister Schlossberg einen Förderer findet und die angesehene Lateinschule besuchen darf. Seine ersten Zeichnungen erregen große Aufmerksamkeit, einige zeigen das Hospital, in dem seine Mutter arbeitet.

Esslingen Hospital
1737

1737.

Seine Mutter und sein Förderer Schlossberg sterben. Mayer ist mit 14 Jahren Vollwaise ohne finanzielle Mittel. 2 Jahre später zeichnet er den ersten Esslinger Stadtplan und wird von der Stadt mit weiteren Vermessungen beauftragt. Er vertieft sich in Mathematik, Kriegskunst und Festungsbau, doch die angestrebte Laufbahn als Artillerie-Offizier scheitert. Mit 18 Jahren veröffentlicht er sein erstes Mathematik-Buch.

Stadtplan von Esslingen, 1737.
Mayer zeichnete mit 16 Jahren den ersten überlieferten Stadtplan der Reichsstadt, der danach in Augsburg gedruckt wurde.
Hintergrund-Information:

Hintergrund-Information:

Nach dem Tode des Vaters 1731 wuchs Tobias im Esslinger „Funden und Waisenhaus“ auf. Jährlicher Höhepunkt war ein Festessen, das von der Dannhäuserschen Stiftung finanziert wurde. Es bestand aus „Weißbrod, Wein und Kalbflaisch in einer gelben Bruehe“. Der 14-jährige Tobias hat diese Szene 1737 gezeichnet; er gehörte zu den „armen Buben“, die dankend vor dem „Funden-Vatter“ kniend beten. Neben dem Kachelofen steht der Metzger mit den Kalbfleischtöpfen und den vorbereiteten Suppentellern. Auf dem rechten Tisch liegt das „gestiffted Brod“. Vom Hospital, in dem seine Mutter arbeitete, fertigte Tobias Zeichnungen von allen vier Seiten an. Diese sind heute ein bedeutendes Zeitdokument, da das Hospital inzwischen abgerissen wurde und einem Parkplatz weichen musste. Zwei Jahre später zeichnete er den ersten Esslinger Stadtplan. Er wurde von der Stadt mit weiteren Vermessungen beauftragt und mit 18 Jahren veröffentlichte er sein erstes Geometrie-Buch. Im Waisenhaus blieb er aber wohnen, selbst als man ihm später einen Wohnplatz im “ Collegium Alumnorum“ anbot, weil er „an seinem Studieren nicht gehindert“ werden wollte.